Wenn bei Möbel-Krieger und bei IKEA die Lichter ausgeblasen werden, geht es bei GEYERSBACH in der Regel erst richtig los. Ehrlich, es ist eine der quälenden Fragen unserer nun auch schon etwas zurück liegenden Kindheit: Was passiert abends und insbesondere nachts in diesen verdammten Möbelhäusern, durch die uns Eltern und Großeltern quälten auf der Suche nach Tipptürschränken und passgenauen Schlafcouchgarnituren.
Jetzt wissen wir es: Nachts ist im Möbelhaus der Teufel los. Und, des Rätsels zweiter Teil: Was, wenn diese Pappbuchatrappen, die in den Billy-Regalen unserer Vergangenheit Bücher simulierten, wirkliche Bücher würden? Seit gut einem Jahr laden wir Romanciers, Unterhaltungsautoren, Sachbuchwriter, Kolumnisten, Thesenpapierschmiede, Polemisierer und Versöhner ein, das „Regal der vorgelesenen Bücher“ um ihren je eigenen Titel zu erweitern. Und wer war in den letzten Monaten, meist für ein eher symbolisches Honorar (das wir seit dem Sommer um einen Hocker aus unserer Kollektion erweitern) zu Gast? Die Crème de la crème der hauptstädtischen Schreibwelten.
Den Einstand machte Jochen Schmidt mit der „Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland“. Es folgte die wunderbare Zora del Buono, die uns in die Welt der ältesten Bäume diverser Kontinente entführte. OL und Rattelschneck fluteten erstmals die RaumErweiterungsHalle mit Gästen, mehr Gäste als die Hütte beherbergen konnte: „Die wunderbare Ol-Rattelschneck-Cartoonshow“ ließ die Halle unter den Lachsalven der Gäste beben. Und eröffnete nebenher eine neue Programmlinie: Die Cartoonshows. Im Juni stellte Tillman Rammtedt seinen Internet-Tagebuchroman „Morgen mehr“ vor, eine Live-Fahnenkorrekturlesung und der krönende Abschluss des ersten Halbjahresprogramms.
Weitere Gäste waren: Der tausendfach umtriebige Klaus Ungerer, Twitter-Lyrik und Dosenmusik standen auf dem Programm (Klaus Ungerer wird in Zukunft diverse Abende in der REH moderieren). Margarete Stokowski bescherte uns, moderiert von Alem Grabovac (auch er nun Mitglied des Moderatorenteams), einen ganz besonderen Abend: So lässig, unterhaltsam, pointiert wurde der wiederum rappelsatt ausgebuchten Halle noch nie ein sperrholziges Thema wie Feminismus nahe gebracht. Frei, der Abend hat alle satt und sonders obenrum (im Hirnstübchen) frei und locker gemacht. Danke dafür, Margarete! BECK und Jens Kreitmeyer fluteten erneut die Halle mit Gästen bei ihrer unerreicht komischen BECK-Cartoonshow. Ronja von Rönne wiederum hat uns weltpremierenhaft in ihr im Februar 2017 erscheinendes Buch „Morgen ist leider schlecht“ hineinlauschen lassen. Ein Fest, auch der Rönne-Abend war ein einziges Fest des Lesens.
Arthaus-Moderator Dr. Florian Werner ist bei uns der Gesprächsschwungmann für die ganz besonderen Abende: Kundig, einfühlsam, ausfaltend, anspielend, gelegentlich aneckend. Denn wenn wir eines schätzen, dann top-moderierte Buch- bzw. Leseabende, die Autoren im öffentlichen Zwiegespräch leuchten und brennen lassen. Gerne arrondiert von eingespielten Tonmitschnitten, von geleinwandeten Bilddokumenten, Fotohappen, Live-Musikauftritten. Alles ist uns recht, so lange es vielfältig, sinnlich, direkt und tiefsinnig unterhaltsam daherkommt.
Und – yeah! – wir sind die einzige Leseshow der Stadt, die ihren eigenen Mikrofonsommelier an die Bühnenkante bittet. Dr. Martin Kaluza leitet die meisten unserer Shows mit einer schier tonsetzermeisterlichen Elüdigkeit ein. Dual-Mikrofone, Frequenzwerte, Tiefenmembranen, Lautsprecherbaupläne – das sind so die Selbstverständlichkeiten, die, so finden wir, einem aufmerksamen Publikum auch gründlich vermittelt gehören, bevor es unterhaltsam wird. Denn, bei aller Unterhaltsamkeit, wir sind auch eine Bildungsveranstaltung. Ein Möbelbildungshaus. Nachts im Möbelhaus, da ist so einiges los.